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Ein Dorf, eine Kirche und drei Funkamateure

Der 1. Mai ist für uns Funkamateure ein ganz besonderer Tag, nämlich Deutscher Burgentag. Nachdem wir – das sind Anselm (DG2HVL), Holger (DD6WM) und ich (Biggi, DK3YB) - im letzten Jahr wegen der Coronasituation unsere Pläne für "Castles On The Air" begraben hatten, wollten wir es in 2021 durchziehen – mit oder ohne Pandemie! Seit Beginn des Jahres hatten wir Pläne geschmiedet und uns vorgenommen, das Schloss Hohennauen (Gutshaus Kleist von Bornstedt) zu aktivieren. Es befindet sich in der Alten Rathenower Straße 2 in Hohennauen-Seeblick. An gleicher Stelle auf einer Landzunge am Hohennauener See befand sich schon eine frühslawische Burg mit Vorburg. Die Burganlage wurde auch in deutscher Zeit weiter besiedelt und 1386 erstmals als „Hus to Hogenowen“ urkundlich erwähnt. Das Gebäude ist heute in einem ruinösen Zustand, was jedoch für eine Aktivierung im Rahmen eines COTA-Fielddays keine Relevanz hat. "Unser" Schloss stand bislang mit 0 QSOs in der COTA-Karte, und wir wollten unbedingt die ersten sein, die es aktivieren. Zudem liegt es im Naturpark Westhavelland, der Flora-&-Fauna-Referenz DLFF-0133.

Aber bevor wir unseren Plan umsetzen konnten, galt es, einigen "Papierkam" zu erledigen. Zunächst hatte ich das Gutshaus und seine Umgebung in Augenschein genommen, um den passenden Ort für unsere Aktivität zu finden. Anschließend gab es ausgiebigen Email-Verkehr mit dem Amt Rhinow. Es stellte sich heraus, dass die Wiese hinter dem Schloss, die ich zunächst ausgesucht hatte, nicht mehr in den Zuständigkeitsbereich des Amtes Rhinow gehörte. Der Amtsdirektor bot uns allerdings sofort einen anderen Standort an, nämlich die Wiese vor der alten Dorfkirche von Hohennauen. Diese wäre Luftlinie etwa 100m vom Schloss entfernt, was den Vorgaben des Castles-on-the-Air-Programmes entspricht. Wir waren glücklich, so viel Unterstützung von behördlicher Seite zu bekommen, und sagten zu. Nachdem auch ein Corona-Sicherheitskonzept erarbeitet und vom Gesundheitsamt Havelland auf den letzten Drücker abgenickt worden war, freuten wir uns umso mehr auf unseren Fieldday.

Am 1. Mai 2021 traf ich also kurz vor 9 Uhr an der Dorfkirche in Hohennauen ein. DD6WM, Holger, war kurz vor mir angekommen. Noch im Auto führte ich schnell einen Coronatest durch, und war froh, dass er negativ war. Nun konnte es losgehen. Zur Begrüßung schlug die Kirchenuhr zur vollen Stunde, und in den Höfen der Umgebung krähten munter die Hähne. Von der Einfahrt am Grundstück gegenüber guckte ein müder Bernhardiner durch den Zaun zu uns herüber. Der Himmel war blau, unsere Laune super, und so begannen wir, unseren Arbeitsbereich abzustecken. Schnell waren die Campingtische aufgebaut und Antennen und Funkgeräte installiert. Inzwischen kam auch DG2HVL, Anselm, am Tatort an und zog das Flatterband um die Wiese. Wir konnten das gesamte Dreieck für uns beanspruchen, wodurch sowohl der Sicherheitsabstand zu Passanten als auch zu den Antennen gewährleistet war. Noch während des Aufbaus wurden wir von einigen Anwohnern angesprochen, was wir denn vorhätten. Alle waren begeistert und interessiert und wir hatten schnell ein paar Zuschauer, die von einer Bank neben der Wiese aus unser "Treiben" beobachteten.

Wir waren aber nicht zum Quatschen da, sondern zum Funken. Holger arbeitete mit seinem Elecraft an einer endfed Drahtantenne für 20m und der Buddipole für 40m, während ich meine Triband-Drathantenne mit meinem Yaesu 857d auf 20m benutzte. Anselm wollte eine selbstgebaute ZS6BKW an einem 12m-Teleskopmast an den Start bringen und mit seinem Yeasu 817 auf 80m arbeiten. Für die Stromversorgung benutzten wir LiFePO4-Akkus. Meiner hat 25,2 Ah, 320Wh, und obwohl ich fast von Anfang an mit 100W gearbeitet habe, war der Akku abends nicht einmal halb leer!

Während Holger und Anselm den hohen Mast aufstellten, konnte ich meine ersten QSOs machen. Inzwischen hatte es sich bezogen und zu allem Überfluss fing es an zu tröpfeln. Gleichzeitig flitzten Holger und ich zu unseren Autos und holten die Faltpavillons. In Windeseile waren diese aufgebaut und schützend über die Funkstationen gestellt. Auch für Anselm, der es sich mit seinem Funkgerät auf der Wiese bequem gemacht hatte, hatte ich einen Schirm. Nun wurde aber erstmal gefunkt.

Bei jedem von uns lief es zunächst etwas zäh, aber ich konnte einige QSOs rund um Europa führen. So richtig nach "castle on the air" fühlte es sich allerdings noch nicht an. Auch hatten wir es mit einigen undefinierbaren Störsignalen zu tun, die aber im Laufe des Tages nachließen. Während ich auf 20m dem CQ-Ruf eines russischen OM antworten wollte, hatte ich jedoch plötzlich ein äußerst merkwürdiges Störgeräusch im Ohr, sehr untypisch für ein Funksignal, die ganze Wiese schien zu vibrieren. Ich nahm den Kopfhörer ab, und das Geräusch wurde lauter. Dann sah ich sie von Norden die Rhinower Straße herunter kommen: ungefähr 20 Motorräder, der Harley-Davidson-Club auf Feiertagstour. Man verstand sein eigenes Wort kaum noch. Funken war nicht möglich, während die Gruppe an der Wiese vorbei "cruiste", also winkte ich den Bikern nur freundlich zu. Einige winkten zurück. Dann kehrte wieder Ruhe ein, und ich konnte mein QSO führen.

Wenig später näherte sich jemand unserer Flatterbandabsperrung. Wir drei ahnten, dass es ein wichtiger Besucher sein könnte, und gingen ihm zur Begrüßung entgegen. Tatsächlich handelte es sich um Ulf Gottwald, den Bürgermeister von Hohennauen. Er begrüßte uns sehr freundlich und fragte, ob er mal einen Blick werfen dürfe. Natürlich ließen wir ihn die Absperrung passieren, allerdings klärte ich ihn auf, dass wir seine personenbezogenen Daten erfassen und diese 40 Tage speichern müssen (Auflage vom Gesundheitsamt!). Er war einverstanden und ich schob ihm eines meiner extra hierfür vorbereiteten Formulare unter die Nase. Er füllte es brav aus und unterschrieb, unsere Pflicht war erfüllt. Nach dieser Formalität wollte er nun genau wissen, was wir auf "seiner" Wiese eigentlich machten. Also wurde er rundherum über Amateurfunk aufgeklärt, ich übergab ihm ein paar Flyer vom DARC e.V. und von Holger bekam er noch ein paar technische Informationen. Im Gegenzug lud Herr Gottwald uns ein, bei Gelegenheit das von uns aktivierte Schloss Hohennauen zu besichtigen, welches vor kurzem erst den Eigentümer gewechselt hatte. Dieser Einladung werden wir sicher bald folgen.

Während die beiden noch miteinander sprachen, stahl ich mich davon und setzte mich wieder an meine Station. Russland, Ukraine, Italien, Bulgarien - die üblichen "Verdächtigen" konnte ich auf 20m arbeiten. Aber irgendwie war es noch nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. Wie gerne würde ich auf 40m gehen, welches ja das bevorzugte COTA-Band ist. Ich sah, dass Anselm auch nicht so richtig glücklich war. Er meinte, dass es wohl mit der Antenne nicht so gut funktioniere und auch die Tagesdämpfung seine Bemühungen vereitele. Er hatte zwar ein QSO mit DL7YS geloggt, das war es aber auch schon. Ich bot ihm an, die Antenne mal über meinen externen Tuner (dem LDG Z-100 plus) mit dem 857 zu verbinden. Gesagt, getan, wir versuchten, die ZS6BKW für das 80m-Band abzustimmen, aber die Anzeige des Tuners sagte, dass es nicht klappen wollte. Ich war etwas beunruhigt, denn es hätte ja auch am Tuner liegen können. Allerdings hatte ich noch einen Trumpf im Ärmel – oder besser, in der Tasche: eine 20m lange, endgespeiste Drahtantenne mit einem 10:1 Einphasen-Balun. Wir tauschten also die Antennen. Als das freie Ende der Drahtantenne am 12m-Mast hochgezogen war, spannte ich die restlichen gut 8m in ca. 80 cm Höhe über dem Boden horizontal ab, befestigte eine Strippe am Balun und knotete das andere Ende an einem Baum neben der Wiese an. So schwebte der Balun nun über selbiger, und ich schraubte das Koaxkabel in den PL-Anschluss. Ich hatte die Antenne zuvor schon bei uns auf dem Campingplatz getestet und war guter Dinge. Mühelos ruckelte der Tuner den Draht für das 40m-Band zurecht, und nun konnte der Spaß beginnen … dachte ich. Aber schon wieder drangen unliebsame Motorengeräusche an mein Ohr. Diesmal waren es die Freunde des Japanischen Sporttourers, die an unserer Wiese vorbei düsten. Als auch das letzte Motorrad Richtung Wassersuppe verschwunden war, konnte ich endlich auf 40m angreifen. Zwischendurch hatte ich immer wieder mal mit Pedda (DL7YS) getextet, und er wollte uns im DX-Cluster spotten. Den Effekt bekamen wir schnell zu spüren: auf meinen CQ-Cota-Ruf flutete ein Pile-Up über uns herein! Ich arbeitete einige Anrufer ab und tippte alles in mein Logbuch. Doch irgendwie schien jetzt mein kleines Laptop nicht richtig zu funktionieren. Besser gesagt: der Akku machte schlapp. Glücklicherweise saß Anselm neben mir, und ich drückte ihm das Mikrofon in die Hand. Während ich mein bis hierher geführtes Logbuch sicherte und mir dann einen Schreibblock zurecht legte, übernahm er die Abarbeitung des Pile-Ups. Schließlich gab er mir das Mikrofon zurück, und ich konnte noch ein paar Rapporte mit anderen Burgentagteilnehmern tauschen.

Nun wollten Anselm und Holger einer Einladung zur Besichtigung der Kirche folgen. Frau Kober, die sich ehrenamtlich für den Erhalt der Hohennauener Dorfkirche einsetzt, hatte schon öfter an unserer Wiese vorbei gesehen und angeboten, uns "ihre" Kirche zu zeigen. Aber einer musste ja auf unsere Sachen aufpassen, und so ließ ich Anselm und Holger den Vortritt. Ich werde mir die Kirche ein anderes mal ansehen, bin ja öfter in der Gegend.

Inzwischen war es 17 Uhr, Zeit für eine "Sause" auf 80m, vielleicht geht es ja schon, dachte ich. Ich stellte das Yaesu auf 3678 kHz ein, ließ den Tuner arbeiten und wartete dann erstmal geduldig, dass der Simson-Fanclub unsere Wiese passiert hat (heute waren wirklich alle unterwegs!). Ein QSO mit DL7YS bestätigte mir, dass rein technisch alles in Ordnung war. Ich konnte noch zwei weitere Verbindungen machen, ansonsten war es wohl doch noch zu früh für das Band. Also zurück auf 40 ... und nochmal ein Eintrag im Cluster. Es dauerte nicht lange, und die COTA- und Flora&Fauna-Freunde rannten mir förmlich die Bude ein. Stoisch gab ich "fünf neun" und loggte fleißig mit Stift und Papier. Heute Abend würde ich alles noch in mein elektronisches Logbuch übertragen müssen. Aber egal, ich war in meinem Element und freute mich über Kontakte u.a. mit Französischen, Belgischen und Kroatischen Stationen. HB9, S5 und DL waren auch dabei und einige konnten auch mit COTA-Referenzen aufwarten. Hier zeigte sich jedenfalls, dass wir eine sehr begehrte Referenz aktivierten und die Hunter richtig heiß auf das Schloss Hohennauen waren.

Viel zu schnell war der Tag vorbei. Unser Zeitplan sah vor, dass wir ab 18 Uhr alles abbauen und die Wiese so verlassen, wie wir sie vorgefunden hatten. Während ich meinen Pavillon abbaute, sprach mich Frau Kober noch einmal an und wollte wissen, ob wir im nächsten Jahr wiederkommen. Erfreut sagte ich, dass wir möglicherweise schon vorher wieder da sind, dann aber mit kleiner Ausstattung und eher spontan. Dann gab ich auch ihr ein paar Flyer und wir verabschiedeten uns.

Für uns war dieser Burgentag ein ganz besonderes Ereignis. Wir möchten uns ganz besonders bei Herrn Aasmann vom Amt Rhinow für die freundliche Unterstützung bedanken, und dass uns keinerlei Steine in den Weg gelegt wurden. Auch dem Gesundheitsamt Havelland gilt unser Dank. Wir wissen, dass es besonders in der momentanen Situation keine Selbstverständlichkeit ist, eine derartige Aktion durchführen zu dürfen. Wir haben mit sehr viel mehr Gegenwind gerechnet! Weiterer Dank geht an denBürgermeister von Hohennauen, Herrn Ulf Gottwald, für seinen Besuch und das Interesse an unserem Hobby, und das wir an einem Feiertag nicht als Störenfriede empfunden wurden. Und last but not least: liebe Frau Kober, vielen Dank für die freundliche Aufnahme und die Einladung zur Kirchenbesichtigung! Wir kommen wirklich sehr gerne wieder!

DANKE an alle, die diesen Burgentag für uns zu einem besonderen Erlebnis gemacht haben!

 

DK3YB
Biggi
    DG2HVL
Anselm
    DD6WM
Holger

 

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