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(von Peter John, DL7YS)

Rückständig sei ich, altmodisch nannte meine Frau mich, das musste ich mir nun gefallen lassen. Dabei hatte sie es nach 25 Jahren Ehe mit einem lizenzierten OM nicht einmal zu einer SWL-Nummer gebracht. Was hatte ich ihr nicht alles geboten in dieser Zeit? Das allabendliche "...ruft CQ-2m und dreht langsam von unten nach oben übers Band...", die Portabelfuchsjagden mit den selbstgebauten Pendlern (da peilte jeder jeden an), das stundenlange Rufen nach einem Gus Browning, der Erwerb der ersten F-Line (nun wurde das AM-QRM im Plattenspieler des Nachbarn ersetzt durch die neckischen SSB-Streifen auf dem Fernsehschirm des geplagten Mitmenschen), usw.

Natürlich war auch meine Station im Laufe der Zeit immer moderner geworden, aber der allerletzte Schrei musste es ja nun doch nicht sein; das kostet ja auch alles ein paar Mark fünfzig. Immerhin war letztes Jahr die W3DZZ durch einen 3 Element Beam und die Handtaste durch eine ETM 3 C ersetzt worden. Und nun erdreistete sich meine Gattin doch tatsächlich mich als altmodisch und rückständig zu bezeichnen.

Es war schon nach Mitternacht, als wir uns auf dem Heimweg von Heinz und Giesela befanden. Heinz war vor 6 Jahren (durch mich) vom HF-Bazillus infiziert worden, hatte dann aber gleich richtig "rangeklotzt". Der 24m-Stahlgittermast mit den KW-Beams vor dem Haus war ja vergleichsweise noch als handlich zu bezeichnen. Interessanter waren da schon die Phased Vertical Arrays für 80 und 160m im hinteren Teil von Heinz' 8000 m2-Grundstueck. Eher unauffällig im Vergleich die Masten mit den beiden EME-Gruppen für 2m und 70cm sowie die Batterie Parabolspiegel für die Mikrowellenbänder. Heinz hatte auch die Shacks im Anbau seines Hauses mit allem erdenklichen Schickschnack eingerichtet (für jedes Band ein eigenes Shack).

Wie hatte Heinz dann zwischen zwei Verdauungsschnaepschen nach dem Essen gesagt? "Weißt Du Peter, die ganze Funkerei soll doch ein Hobby bleiben. Es darf eben nicht in einen Full-Time-Job ausarten. Sieh mich an. Meine Stationen werden durch die Bank von Computern überwacht. Auf allen Frequenzen sagen mir die Rechner, ob diese oder jene Station ein neues Land oder ein neues Großfeld ist. Das lästige Schreiben des Logs, das Ausfüllen der QSLs, alles erledigen meine PCs, und am Wochenende lasse ich mir dann nur noch meinen aktuellen Länder-, DOK-, Großfelder- und Countystand ausdrucken. Meine Platzierungen in den diversen Contesten kommen wöchentlich über Packet, das ist es was den Amateurfunk angenehm und interessant macht." Meine Frau hing mit verklärter Miene an Heinz' Lippen. Ja, das hätte Sie mir ja auch schon gesagt, aber ihr Mann (als wie ich) sei eben etwas hinterwäldlerisch, und wahrscheinlich in der Bedienung von so komplizierter Technik überfordert. Von wegen; bis jetzt hatte meine technische Begabung noch über jedes Problem der HF-Technik gesiegt, ich hatte alle meine Verstärkerschaltungen zum Schwingen gebracht.

Sogar als wir schon im heimischen Ehebett lagen moserte meine Frau weiter; altmodisch, rückständig...... Mein Entschluss stand fest. Gleich morgen wollte ich einen Rechner besorgen. Ein ganz kleines Modell versteht sich; mit einem Drucker. Eben ganz etwas simples, nur um auch mal eine UKW-Contest auf einem Rechner auswerten zu können; und unter 800,- DM sollte das ganze Ding kosten.
Der Verkäufer in dem Laden war furchtbar nett und stellte mir ein Paket zusammen, welches für nur 4899,- DM neben dem Rechner auch diverse Peripheriegeräte wie Interface, Unterface und Babyface, größere Mengen Software sowie eine 2 Seiten umfassende Dokumentation beinhaltete. Nur ein Programm zur Entfernungsberechnung war nicht dabei.....

Daheim arbeitete ich flugs das taiwanesische Handbuch durch und verband den Rechner mit meiner Station. Ich war auf dem Stand der Technik. Sicherlich, am Anfang war es etwas ungewohnt dem Rechner ein Call einzugeben, und diese Maschine übernahm es dann z.B. die Antenne in die richtige Richtung zu drehen, aber mit der Zeit empfand ich es als recht angenehm die Hilfe einer "Maschine" in Anspruch zu nehmen.

Eines Tages (es war am frühen Morgen vor dem QRL) hörte ich auf dem langen Weg auf 20m die lang angekündigte DX-Pedition nach Buana Island. Die Jungs lagen mit einem stolzen 419-Signal an, und mir war klar, dass dies eine Sache für die Spezialisten mit Kilowatt und Riesenantenne war. Da brauchte ich gar nicht erst anzurufen. Auf dem Bildschirm meines Rechners (der ja stets und ständig mitlief) erschien die Meldung "BUANA ISLAND = NEUES LAND, DRUECKEN SIE FUER ARBEITEN ODER FUER ABBRUCH". Natürlich drückte ich um dem ganzen Spuk ein Ende zu bereiten, aber das interessierte die Maschine herzlich wenig. Es erschien die Meldung "ABBRUCH NICHT MOEGLICH, NEUES LAND MUSS GEARBEITET WERDEN". Die Antenne hatte dieser Satansapparat schon in die richtige Richtung gedreht. In der rechten unteren Bildschirmhälfte meldete sich Heinz derweil über Packet "Habe Buana Island schon um 0442 GMT gearbeitet, bin die Nummer 1 bei denen im Log, hi. Streng dich mal ein bisschen an. Vy 73 von Heinz." Meine Frau rief mich zum Frühstück, so dass ich mich nicht weiter um diesen Unsinn kümmern konnte.

Als ich vom QRL nach Hause kam, hatte der Rechner schon wieder eine Überraschung parat. Er empfing mich mit folgender Mitteilung auf der Glotze: "HABE 97 MINUTEN VERTAN UM BUANA ZU ARBEITEN. IN DER ZWISCHENZEIT WURDE AUF 21 MHZ DIE DX-PEDITION NACH SOWIESOBUNGOLAND, AUF 28 MHZ DIE SONDERSTATION AUF MURKEL-ISLAND UND AUF 7 MHZ EIN QSO MIT DEM PAPST VERSÄUMT. IHR SYSTEM MUSS DAHER OPTIMIERT WERDEN !!! DRÜCKEN SIE FÜR OPTIMIEREN ODER FUER ABBRUCH". Es versteht sich ja wohl von selbst, dass ich wählte. Auch der Kommentar der Maschine verstand sich von selbst "ABBRUCH NICHT MÖGLICH, SYSTEMOPTIMIERUNG LÄUFT, BITTE WARTEN". Wohl um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, hatte diese Höllenmaschine die Taste F2 verriegelt. Ein anderer Gedanke ging mir durch den Sinn. Woher wusste der Apparat eigentlich so gut über das DX-Geschehen in der Welt Bescheid? Der Druck auf die Status-Taste trieb mir das blanke Entsetzen ins Gesicht. Dieser Wahnsinnskasten hatte sich über die Phone-Patch-Leitung in verschiedene Info-Netze wie z.B. das Cluster-Buster-Net der South-American-Guevara-DX-Gang, das Digi-Dungo-Net der North-American-DX-Compu-Hunter-Group und die Literaturdatenbank der Schülerbücherei Oberursel eingeloggt. Meine Telefonrechnung lief in einem kleinen Fenster in der unteren Bildschirmhälfte mit; sie war inzwischen siebenstellig, aber der Rechner hatte in weiser Voraussicht ueber BTX auf unser Haus eine Hypothek aufgenommen und der Post eine Einzugsermächtigung erteilt.

Mein Versuch mit Heinz auf 2m in Kontakt zu kommen scheiterte kläglich. Irgendwie hatte es den Anschein, dass die Station kaputt war, aber der Rechner löste dann das Rätsel. "2m-STATION WIRD ZUR DIGI-PACKET-ÜBERTRAGUNG BENÖTIGT, KLÖNSCHNACK DERZEIT NICHT MÖGLICH, SYSTEMOPTIMIERUNG LÄUFT" erschien als Reaktion auf mein Drücken der PTT. Ich versuchte den Computer abzuschalten; natürlich vergebens. Der Netzschalter war verriegelt...... Aus dem Lautsprecher des Rechners ertönte eine blecherne Stimme "BITTE NICHTS BERÜHREN, VERLASSEN SIE DAS SHACK, SYSTEMOPTIMIERUNG LÄUFT". Mein Entschluss stand fest: dieser Wahnsinn musste schnellstens ein Ende haben, da gab es keine Diskussion. Gleich morgen musste etwas geschehen, das nahm ich mir fest vor. Bevor ich an diesem Tag ins QRL fuhr, ging ich noch einmal schnell ins Shack, um zu sehen welche Kapriolen mein Zweit-OP diesmal ausgeheckt hatte, aber welch Wunder, lediglich die Anzeige "SYSTEMOPTIMIERUNG LÄUFT" blinkte still und leise vor sich hin. Im QRL war ich den Tag über eigentlich nicht so recht bei der Sache; ich konnte es kaum erwarten nach Hause zu kommen.

Als ich unser Haus betrat, empfing mich meine Frau mit den Worten "... die Leute von der Firma Ham-Funk sind gerade weg, aber sie haben auch ohne Dich wohl alles komplett angeschlossen." Immer zwei Stufen zugleich nehmend jagte ich die Treppe zum Shack hinauf. Mein Gesicht wurde aschfahl als ich das Shack betrat. Mehrere neue Transceiver, drei neue Computer, Drucker usw. zierten den Shacktisch. Die Skalen leuchteten im matten Grünton, und auf den Bildschirmen wurden die derzeitigen Länder-, Großfelder-, DOK- und Countystände mitprotokolliert. Auf dem Bildschirm des "Master-Rechners" blinkte immer noch die Meldung "SYSTEMOPTIMIERUNG LÄUFT, OPERATOR ÜBERFLÜSSIG, BITTE NICHTS BERÜHREN" Auf dem Tisch lag eine Photokopie des Lieferscheines von Ham-Funk...... bedanken wir uns für Ihren Auftrag via BTX und die erteilte Einzugsermächtigung.... Die Worte verschwammen vor meinen Augen. Meine Frau schaute mir über die Schulter. "Tolle Station, was? Ach so, die Antennenfirma hat angerufen; die wollen wissen, ob der 24m-Stahlgittermast vor oder hinter das Haus soll. Außerdem haben sie vorgeschlagen, den 6m-Parabolspiegel hinter dem Haus aufzubauen. Da Du ja die Garage des Nachbarn hast abreißen lassen, könnten sie jetzt mit dem großen Kranwagen auch bis hinters Haus fahren......" Nur die Tatsache, dass es an der Haustür klingelte, bewahrte mich davor in Ohnmacht zu fallen. Vor der Tür stand ein freundlicher uniformierter Herr der Firma "VERBREITET PARCEL SERVICE". Er lächelte mich an und sagte: "Wo sollen denn die 4 Tonnen QSL-Karten hin? Wenn Sie bitte hier unterschreiben wollen." Nein! Jetzt hatte der Alptraum ein Ende. Ich jagte in den Keller und bewaffnete mich mit einer Axt und einem Vorschlaghammer. Diesmal nahm ich immer 5 Stufen zugleich, als ich zum Shack nach oben stürmte. Jetzt mach ich ihn fertig, er oder ich...... Die Shacktür war verriegelt, aus dem Inneren hörte ich die blecherne Stimme "SYSTEM ARBEITET OGADUNGOLAND ALS DXCC NUMMER 445 AUF 47 GHZ, SYSTEMOPTIMIERUNG LÄUFT, OPERATOR ÜBERFLÜSSIG". Ich nahm die Axt und schlug auf die Tür ein "OPERATOR ÜBERFLÜSSIG" höhnte die Stimme aus dem Shack. Wieder und wieder schlug ich zu, bis ich schweißüberströmt war.

"Peter, Peter, was ist mit Dir?" Meine Frau rüttelte mich in unserem Bett hin und her. "Hast Du schlecht geträumt?" Ganz langsam kam ich zu mir; ich war schweißüberströmt. "Was ist denn los?" hörte ich meine Frau sagen. Wortlos stand ich auf und ging ins Shack. Dunkel und verlassen stand dort die alte F-Line mit der ETM 3 C. Nur die mikroprozessorgesteuerte Stationsuhr blinkte vor sich hin.

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